Aktuelles | 20. November 2025

Energiemarkt zwischen Risiken und Überregulierung

In seinem Jubiläumsjahr richtete der edna Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation e. V. das „Kamingespräch“ für Expertinnen und Experten aus der Energiewirtschaft in den Räumlichkeiten der ene't aus. Die bereits 11. Auflage widmete sich dem Thema „Wieviel Regulierung braucht die Energiewende? Von Dynamischen Tarifen, 24h-Lieferantenwechsel bis zum MaBis-Hub“. Rund 35 Branchenkenner folgten der Einladung nach Hückelhoven.

Geschäfts­füh­rer Dipl.-Ing. Roland Ham­bach nutz­te die Begrü­ßung, um den Ange­reis­ten den Fir­men­stand­ort vor­zu­stel­len. Die nie­der­rhei­ni­sche Stadt blickt auf eine beweg­te Ver­gan­gen­heit zurück, die lan­ge Zeit vom Stein­koh­le­ab­bau in der Zeche Sophia-Jaco­ba geprägt war. Die Aus­wir­kun­gen durch all­ge­gen­wär­ti­ge Berg­schä­den zeig­ten sich auch in der Anek­do­te über eine Ver­wand­te, die schie­fe Gar­di­nen näh­te, damit die Fens­ter gera­de aus­sa­hen. Nach dem Ende der Koh­le­för­de­rung 1997 begann der Struk­tur­wan­del in der Regi­on, der dank brei­ter poli­ti­scher Unter­stüt­zung Raum für Inno­va­tio­nen eröff­ne­te – auch ene't fand den ers­ten Fir­men­sitz im neu­an­ge­leg­ten Grün­der- und Ser­vice­zen­trum Hückelhoven.

Foto: Dipl.-Ing. Roland Ham­bach bei der Eröff­nung des Kamingesprächs

Die Dis­kus­si­ons­run­de mit aus­ge­wie­se­nen Bran­chen­ken­nern ent­wi­ckel­te sich im Anschluss zu einem inten­si­ven Aus­tausch. Dr. Ralf Walt­her (Tib­ber Deutsch­land) beklag­te eine Über­re­gu­lie­rung: Die Skan­di­na­vi­er schüt­teln nur den Kopf dar­über, wie klein­tei­lig der Ener­gie­markt in Deutsch­land regu­liert ist.“ Prof. Dr. Marc Oli­ver Bett­zü­ge (Ener­gie­wirt­schaft­li­ches Insti­tut an der Uni­ver­si­tät zu Köln) kri­ti­sier­te dar­über hin­aus fal­sche Anrei­ze: Alle wol­len immer neu bau­en, Kraft­wer­ke, Spei­cher und mehr“. Dies sei aber nicht wirt­schaft­lich umsetz­bar. Er sorg­te sich zudem vor immer wei­ter wach­sen­den Regu­la­ri­en, was auch Anwäl­tin Dr. Car­men Schnei­der (FPS Rechts­an­walts­ge­sell­schaft) unter­strich: Es wird immer noch mehr Regu­lie­rung oben auf­ge­setzt“. Ein gutes Bei­spiel sei die Strom­preis­brem­se“ gewe­sen, was von deut­li­chem Rau­nen im Publi­kum bestä­tigt wurde.

Über zu viel Regu­lie­rung im Ener­gie­han­del wuss­te auch Micha­el Ramc­zy­kow­ski (NEW Nie­der­rhein Ener­gie und Was­ser) zu berich­ten, die Balan­ce zwi­schen anzu­wen­den­den Regeln und frei­em Han­del stim­me nicht. Es wird alles kom­ple­xer, und das wird auf dem Rücken der Kun­den aus­ge­tra­gen“, kon­sta­tier­te er. Sebas­ti­an Lim­burg (NRW.Energy4Climate) kri­ti­sier­te die Rea­li­täts­fer­ne der Bun­des­po­li­tik: Die mei­nen es gut, machen es aber nicht gut.“ Größ­tes Pro­blem sei die feh­len­de Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den betrof­fe­nen Marktakteuren.

Foto: Teil­neh­men­de des Kamin­ge­sprächs, v.l. Bern­hard Mil­de­brath (Mode­ra­ti­on), Dr. Ralf Walt­her, Sebas­ti­an Lim­burg, Prof. Dr. Marc Oli­ver Bett­zü­ge, Micha­el Ramc­zy­kow­ski, Dr. Car­men Schneider

Ohne Regu­lie­rung geht es nicht, waren sich die Teil­neh­men­den weit­ge­hend einig, doch vie­les sei zu klein­tei­lig gere­gelt und brem­se Fort­schrit­te aus. Mit Blick auf den Kli­ma­wan­del mahn­te Dr. Walt­her: Wir kön­nen nicht ein­fach so wei­ter machen.“ Aber auch volks­wirt­schaft­lich brin­ge dies Nach­tei­le, wenn Deutsch­land bei­spiels­wei­se als Stand­ort unat­trak­tiv wer­de für die Neu­an­sied­lung von Rechen­zen­tren inter­na­tio­na­ler Anbie­ter, weil erfor­der­li­che Netz­an­schlüs­se nicht rea­li­siert wer­den kön­nen, wie Lim­burg als Bei­spiel anbrachte.

Es folg­te eine leb­haf­te Dis­kus­si­on mit den Besu­chern über die Fra­gen, wie wirt­schaft­lich der Zubau von erneu­er­ba­ren Ener­gien ist, ob die Ener­gie­po­li­tik zu sehr von der Bera­ter­lob­by beein­flusst wird und ob die heu­ti­ge Zahl an Ener­gie­ver­trie­ben womög­lich zu groß ist. Wei­ter wur­de dar­über nach­ge­dacht, wie sinn­voll der gene­rel­le Smart-Meter-Roll-out ist, wenn pas­sen­de Geschäfts­mo­del­le feh­len, bevor das Kamin­ge­spräch als eines der bis­her längs­ten sein Ende im per­sön­li­chen Aus­tausch der Gäs­te fand.

Am Fol­ge­tag schloss sich das edna Fach­tref­fen“ mit fünf pra­xis­na­hen Vor­trä­gen an. Zu Beginn warf Bern­hard Mil­de­brath (Schleu­pen) einen Blick zurück auf 200 Jah­re Ener­gie­wirt­schaft in Deutsch­land“ und einen nach vorn auf das anste­hen­de 25-jäh­ri­ge Jubi­lä­um des Bun­des­ver­bands im Dezem­ber. Mil­de­brath wür­dig­te die Ener­gie­wirt­schaft als eine der inno­va­tivs­ten Bran­chen der Geschich­te und erin­ner­te an die Anfän­ge: Es begann mit Licht.“ Die ers­ten Gas­la­ter­nen leg­ten den Grund­stein für die frü­hen Gas­wer­ke, in denen für den Betrieb Stadt­gas“ aus Stein­koh­le gewon­nen wur­de. Die ers­te regu­lä­re Gas­ver­sor­gung dien­te der Beleuch­tung einer Fabrik­hal­le: Die jun­ge Ener­gie­wirt­schaft hat es geschafft, Licht in das Dun­kel zu brin­gen.“ Aus die­sen Anfän­gen ent­wi­ckel­ten sich in 200 Jah­ren gro­ße Kon­zer­ne, völ­lig neue Berufs­bil­der und nicht zuletzt auch die Kon­zes­si­ons­ab­ga­be als ein­träg­li­che Ein­nah­me­quel­le der Kommunen.

Oli­ver Kunz (ene't) beschäf­tig­te sich in sei­nem Vor­trag Ver­wor­re­ne Markt­pro­zes­se trei­ben Kos­ten hoch“ mit den all­täg­li­chen Her­aus­for­de­run­gen in der Markt­kom­mu­ni­ka­ti­on. Wer mich kennt, weiß, ich mecke­re gern“, gab er frei­mü­tig zu, doch das nicht ohne Grund. In ande­ren Län­dern kom­me die Markt­kom­mu­ni­ka­ti­on mit deut­lich weni­ger Regu­la­ri­en aus und set­ze Ände­run­gen schnel­ler um. Wir machen uns hier das Leben schwer, anstatt den Nut­zen in den Vor­der­grund zu stel­len“, stell­te er fest. Ein Bei­spiel sei die teu­re, nicht wirk­lich durch­ge­hend sta­bi­le AS4-Umset­zung. Auch die Imple­men­tie­rung des 24-Stun­den-Lie­fe­ran­ten­wech­sels ver­lau­fe noch holp­rig, ver­ein­fa­che aber zumin­dest Kun­den­an­mel­dun­gen, da Stamm­da­ten nun nach­ge­lie­fert wer­den können.

Foto: Oli­ver Kunz beim edna Fachtreffen

Ein wei­te­res Pro­blem sei­en feh­len­de funk­tio­nie­ren­de Soft­ware­lö­sun­gen im Markt, wodurch Pro­zes­se schei­tern: Ein­spei­se­r­an­mel­dun­gen gehen zu 90 Pro­zent schief“, so Kunz. Auf der ande­ren Sei­te fehl­ten aber auch Sank­tio­nen durch die Bun­des­netz­agen­tur bei Ver­stö­ßen durch Markt­teil­neh­mer. Wei­te­re Pro­blem­fel­der fän­den sich im Daten­schutz, in der unsi­che­ren Rol­le des wett­be­werb­li­chen Mess­stel­len­be­trei­bers („ein gefähr­li­cher Busi­ness Case“), der Fra­ge der Daten­ho­heit bei der stern­för­mi­gen Mess­wert­ver­tei­lung sowie in Bruch­stel­len“ in den Soft­ware­schnitt­stel­len der Über­tra­gungs­netz­be­trei­ber: Das hat nichts mehr mit Effi­zi­enz, Sinn und Zweck zu tun.“

Kunz plä­dier­te für Ver­ein­fa­chun­gen in den Regu­la­ri­en und freu­te sich zumin­dest über die lang­fris­ti­ge Abschaf­fung der Mehr- und Min­der­men­gen­ab­rech­nung. Kri­tik übte er auch am Kon­zept des neu­en MaBiS-Hubs: Hier wer­den ein­fach Pro­zes­se oder Daten­for­ma­te neu gebaut, die zum Teil wirk­lich heu­te schon hoch­au­to­ma­ti­siert funk­tio­nie­ren. Die Pro­ble­me von heu­te gibt es zukünf­tig eben­so oder könn­ten durch Ein­füh­rungs­pro­ble­me sogar noch mehr werden.“

Lars Pla­ge­mann (regio­com) berich­te­te im Anschluss über eine Zen­tra­le Report­ing Platt­form als Bei­trag zum Büro­kra­tie-Abbau“. Gemeint war damit unter ande­rem ein zen­tra­ler Data-Hub der Bun­des­netz­agen­tur, der Markt­da­ten agg­re­gie­ren soll, ins­be­son­de­re sol­che mit Mel­de­pflicht. Basis sei das Eck­punk­te­pa­pier Fest­le­gung zur Her­aus­ga­be von Ener­gie­markt­da­ten zur Wei­ter­ga­be und Infor­ma­ti­on nach § 111g EnWG (HED­WIG)“. Behör­den sol­len dar­auf zugrei­fen kön­nen und Mehr­fach­be­rich­te somit bes­ten­falls ver­mie­den wer­den. Der Lei­dens­druck in der Ener­gie­wirt­schaft sei hoch, berich­te­te Pla­ge­mann. Die Bran­che müs­se rund 15.500 Nor­men, Geset­ze und Vor­schrif­ten beach­ten. Pro Jahr flie­ßen mehr als 18 Mil­lio­nen Arbeits­stun­den nur in büro­kra­ti­sche Auf­ga­ben, was rund 1,5 Mil­li­ar­den Euro Kos­ten verursache.

Wei­te­re ver­gleich­ba­re Platt­for­men sei­en der MaBiS-Hub und SMARD 2.0. Gut umge­setzt, böten die­se Platt­for­men Chan­cen für die Ver­ein­fa­chung von Berichts­pflich­ten, den Büro­kra­tie­ab­bau, zur Ver­bes­se­rung der Zusam­men­ar­beit im Ener­gie­markt, zur Hebung von Syn­er­gien sowie für die Eta­blie­rung gemein­sa­mer Daten­stan­dards. Umfang­rei­che Fest­le­gungs­in­hal­te, Daten­ka­te­go­rien und ‑for­ma­te sei­en bereits in der Ent­wick­lung, doch es gel­te auch noch, Sicher­heits­be­den­ken aus­zu­räu­men und Red­un­dan­zen zu vermeiden.

Dr. Ralf Walt­her näher­te sich dem The­ma Regu­la­to­rik im Bei­trag Dyna­mi­sche Tari­fe, Pro­sumer, Smart Meter: Wie­viel Regu­la­to­rik braucht die Ener­gie­wen­de?“ von der tech­ni­schen Sei­te. Die Digi­ta­li­sie­rung des Zäh­ler­we­sens in Deutsch­land sei rück­stän­dig, stell­te er fest, in Skan­di­na­vi­en sei man wesent­lich wei­ter. Regu­lie­rung sei zwar wich­tig, um den Ener­gie­markt sicher und zuver­läs­sig zu gestal­ten. Doch in der Pra­xis blo­ckier­ten über­zo­ge­ne Anfor­de­run­gen einen kos­ten­ef­fi­zi­en­ten Aus­bau. In ganz Deutsch­land sei­en gera­de ein­mal 900 durch den Ver­teil­netz­be­trei­ber steu­er­ba­re Smart Meter ver­baut wor­den – bei rund 50 Mil­lio­nen Zähl­punk­ten. Und dafür fei­ert sich die Bran­che dann auf Lin­ke­dIn“, bemerk­te er. Auch rund 26 Mil­lio­nen ver­bau­te moder­ne Mess­ein­rich­tun­gen hät­ten prak­tisch kei­nen Nut­zen, da nicht ein­fach auf die Infra­rot­schnitt­stel­len zugrif­fen wer­den kön­ne und vor allem Nut­zungs­mo­del­le fehl­ten. Sein Urteil: Plas­tik, das kei­ner nutzt.“

Als Über­gangs­lö­sung schlug er eine Erwei­te­rung bestehen­der mME mit Uhr und Funk­mo­dul vor: Macht es doch kos­ten­ef­fi­zi­ent nach euro­päi­schem Stan­dard!“ Dürf­ten die so erwei­ter­ten Zäh­ler Daten in die Markt­kom­mu­ni­ka­ti­on ein­spei­sen, wären vie­le Nut­zungs­mög­lich­kei­ten offen. War­um muss das Gate­way unbe­dingt ein iMSys-Gate­way sein?“ warf er in den Raum. Von den erho­be­nen Daten wür­den auch Netz­be­trei­ber pro­fi­tie­ren, die sich ein viel bes­se­res Bild von ihrem gesam­ten Netz­zu­stand machen könn­ten, bis hin zur Über­prü­fung, ob ein­zel­ne Bal­kon­kraft­wer­ke wirk­lich mit Null­ein­spei­sung betrie­ben wer­den oder ein Haus­halt mit PV-Erzeu­gung und Wall­box noch in das Stan­dard­last­pro­fil passt.

Zum Abschluss berich­te­te Micha­el Gros­se (beegy) im Vor­trag HEMS und Regu­lie­rung: Mit neu­em Geschäfts­mo­dell die Digi­ta­li­sie­rung der Ener­gie­wen­de vor­an­trei­ben“ über die tech­ni­sche Ver­net­zung von Wall­bo­xen, Wär­me­pum­pen, Pho­to­vol­ta­ik und Spei­chern mit­tels eines Home Ener­gy Manage­ment Sys­tems. Beson­de­res Augen­merk rich­te­te er auf die not­wen­di­gen Sicher­heits­me­cha­nis­men, wie eine Ende-zu-Ende-Ver­schlüs­se­lung und die Tren­nung vom hei­mi­schen Netz­werk des Kun­den, das mög­li­cher­wei­se sicher­heits­kri­ti­sche Kom­po­nen­ten wie bei­spiels­wei­se unge­si­cher­te Über­wa­chungs­ka­me­ras ein­ge­bun­den hat.

Eine Kom­pro­mit­tie­rung ein­zel­ner Gerä­te las­se sich nicht grund­sätz­lich ver­hin­dern, so müs­se man die Kom­mu­ni­ka­ti­on zu Wech­sel­rich­tern oder Bat­te­rien öff­nen, die ihrer­seits in Her­stel­ler-Clouds ein­ge­bun­den sind. An die­ser Stel­le kön­ne man sich dem Kun­den­wunsch und der Anbie­ter­macht nicht ver­schlie­ßen. Eine völ­li­ge Sicher­heit kön­ne ohne­hin nie­mand garan­tie­ren, beton­te er, ins­be­son­de­re wenn mög­li­cher­wei­se staat­li­che Akteu­re im Spiel sei­en. Und selbst bei einer voll­stän­di­gen Absi­che­rung des Sys­tems blie­ben ande­re Angriffs­vek­to­ren. Ein denk­ba­res Sze­na­rio wäre die Mani­pu­la­ti­on von Preis­si­gna­len, auf die HEMS auto­ma­ti­siert reagie­ren. Sicher­heit las­se sich somit nicht per Ver­ord­nung her­stel­len. Gros­se resü­mier­te: Wir brau­chen Regu­lie­rung, aber kei­ne Überregulierung.“

Die Ver­an­stal­tung zeig­te, dass es aktu­ell vie­le Pro­blem­fel­der im stark regu­lier­ten Ener­gie­markt gibt, aber min­des­tens genau­so vie­le Lösungs­vor­schlä­ge. Wenn die Poli­tik in man­chen Aspek­ten mehr Prag­ma­tis­mus wal­ten lie­ße und sich regel­mä­ßig mit den Markt­ak­teu­ren aus­tau­schen wür­de, könn­ten vie­le Ver­än­de­run­gen schnel­ler umge­setzt wer­den. Der Aus­tausch inner­halb des Ver­bands kann hier wert­vol­le Impul­se liefern.

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