Aktuelles | 15. Oktober 2018

Sinkende Strompreise dank sinkender Entgelte?

Nachdem sich in den vorläufigen Entgelten der Übertragungsnetzbetreiber ein Trend zu Senkungen erkennen ließ (vgl. Newsletter Nr. 105), wurden die Entgelte der nachgelagerten Verteilnetzebene nun mit Spannung erwartet. Mit Berufung auf die Frankfurter Allgemeine Zeitung wurde in der Medienlandschaft zudem eine Reduzierung der EEG-Umlage erstaunlich zutreffend prognostiziert, deren endgültige Höhe von 6,405 ct/kWh (-5,7 Prozent) heute von den vier Regelzonenbetreibern veröffentlicht wurde.

Obwohl die­se Vor­aus­set­zun­gen erst ein­mal einen Spiel­raum für sin­ken­de End­kun­den­prei­se zu eröff­nen schie­nen, pro­gnos­ti­zier­ten unter­schied­li­che Ver­gleichs­por­ta­le ein gleich­zei­ti­ges Anstei­gen der Ver­teil­netz­ent­gel­te, das die redu­zier­te Umla­ge über­kom­pen­sie­ren kön­ne. Ermit­telt man einen durch­schnitt­li­chen Preis aller Netz­be­trei­ber, die bereits vor­läu­fi­ge Ent­gel­te für das Jahr 2019 bekannt gege­ben haben, ist die­se Annah­me nicht falsch. Es lässt sich so eine pro­zen­tua­le Stei­ge­rung gegen­über 2018 errechnen.

Aller­dings ist die­se Betrach­tung eher rea­li­täts­fern, da die Grö­ße der ver­sorg­ten Netz­ge­bie­te voll­kom­men unbe­rück­sich­tigt bleibt. Das Unter­neh­men E‑Werk Karl Steng­le aus Baden-Würt­tem­berg mit einer ver­sorg­ten Flä­che von 0,3 km2 in der Nie­der­span­nung fällt in die­ser Berech­nung genau­so stark ins Gewicht wie die EWE NETZ mit über 17.000 km2 Netz­ge­biet in Nie­der­sach­sen, gleich­gül­tig, wie vie­le Abneh­mer jeweils in der Pra­xis von den Preis­an­pas­sun­gen betrof­fen sind.

Sinn­vol­ler ist eine gewich­te­te Durch­schnitts­be­rech­nung, in der grö­ße­re Netz­ge­bie­te und damit mehr Abneh­mer stär­ker in das Preis­mit­tel ein­flie­ßen als klei­ne Betrei­ber. Basie­rend auf einer Gewich­tung nach ver­sorg­ten Post­leit­zahl-Ort-Netz-Kom­bi­na­tio­nen ergibt sich näm­lich ein völ­lig ande­res Bild.

Der fol­gen­den Betrach­tung lie­gen ver­öf­fent­lich­te Ent­gel­te für über 77 Pro­zent der bun­des­deut­schen Flä­che zugrun­de. Für einen Sin­gle-Haus­halt mit 1.500 kWh Jah­res­ver­brauch blei­ben die zu ent­rich­ten­den Netz­kos­ten nach jet­zi­gem Stand mit im Schnitt 156,47 Euro nahe­zu unver­än­dert, die Abwei­chung beträgt gera­de ein­mal ‑5 ct. Ein Fami­li­en-Haus­halt mit 4.000 kWh Strom­be­darf wird dage­gen um etwas mehr als 1 Pro­zent ent­las­tet (2019: 304,39 Euro/​Jahr). Ein Gewer­be­be­trieb (40.000 kWh/​Jahr) zahlt mit 2.434,45 Euro rund ‑2,1 Pro­zent weni­ger als im lau­fen­den Jahr. Auch im RLM-Bereich kün­di­gen sich Redu­zie­run­gen an. Zwar zahlt ein Gewer­be­be­trieb (100.000 kWh, 35 kW, Nie­der­span­nung mit mehr als 2.500 Benut­zungs­stun­den) im Schnitt mini­mal mehr, im Durch­schnitt aber nur 43 ct (bei 6.028,52 Euro Jah­res­kos­ten). Mit stei­gen­den Ver­bräu­chen sin­ken die Ent­gel­te ten­den­zi­ell wie­der, für einen RLM-Kun­den in der Mit­tel­span­nung (400.000 kWh, 200 kW, < 2500 h) bei­spiels­wei­se um ‑0,5 Pro­zent auf 21.256,95 Euro.

Am Bei­spiel eines Haus­halts mit einem Jah­res­strom­be­darf von 3.200 kWh lässt sich beob­ach­ten, in wel­chen Netz­ge­bie­ten es zu deut­li­chen Anpas­sun­gen nach oben oder unten kommt. Im nach Postor­ten gewich­te­ten Bun­des­durch­schnitt sinkt der spe­zi­fi­sche Arbeits­preis der Ver­teil­netz­ge­büh­ren um ‑1,3 Pro­zent auf 8,04 ct/​kWh. Dabei pro­fi­tie­ren Netz­kun­den der WEMAG Netz in Meck­len­burg-Vor­pom­mern von Sen­kun­gen um ‑14,7 Pro­zent, zah­len mit 9,50 ct/​kWh jedoch immer noch mehr als im Durch­schnitt. Auch in den Net­zen der Ener­gie- und Was­ser­ver­sor­gung Hamm (NRW, ‑14,5 Pro­zent auf 5,61 ct/​kWh) und GGEW Berg­stra­ße (Hes­sen, ‑11,1 Pro­zent auf 5,58 ct/​kWh) pro­fi­tie­ren Strom­netz­kun­den von Redu­zie­run­gen um 10 Pro­zent oder mehr, dies betrifft ins­ge­samt 471 Postor­te. Sin­ken­de Ent­gel­te las­sen sich in 7.364 und damit fast zwei Drit­teln aller Postor­te beob­ach­ten, unver­än­der­te in 28.

Pro­zen­tua­le Ver­än­de­rung der vor­läu­fi­gen Strom­netz­ent­gel­te 2019 gegen­über 2018
Abnah­me­fall: Fami­li­en-Haus­halt, 3.200 kWh/​Jahr, SLP, Niederspannung

Deut­li­che Abwei­chun­gen erge­ben sich auch in Netz­ge­bie­ten, in denen zum Jah­res­en­de ein Betrei­ber­wech­sel statt­fin­det. So über­neh­men die Stadt­wer­ke Muns­ter-Bispin­gen (Nie­der­sach­sen) eben­dort die Kon­zes­si­on von der EWE Netz, wodurch Netz­kun­den zukünf­tig nur noch 5,81 ct/​kWh bezah­len. Blie­be das Netz­ge­biet im Besitz von EWE, wür­den zukünf­tig 7,44 ct/​kWh fäl­lig, Strom­ab­neh­mer spa­ren somit ‑21,9 Pro­zent beim spe­zi­fi­schen Arbeits­preis. Ähn­lich pro­fi­tie­ren Netz­kun­den in den baden-würt­tem­ber­gi­schen Kom­mu­nen Stau­fen und Müll­heim, wo die Kon­zes­sio­nen von der ED Net­ze auf die bnNet­ze über­ge­hen. Hier wer­den mit 5,51 ct/​kWh im nächs­ten Jahr ‑14,9 Pro­zent nied­ri­ge­re Ent­gel­te fäl­lig als wenn der Betrei­ber iden­tisch bliebe.

Eine star­ke Erhö­hung zeigt sich dage­gen im Netz der Gemeind­li­chen Strom­ver­sor­gung Röt­ten­bach (Bay­ern). Der spe­zi­fi­sche Arbeits­preis steigt um 47,4 Pro­zent auf 10,80 ct/​kWh und zählt damit zu den teu­re­ren Ent­gel­ten. Stei­ge­run­gen um mehr als 30 Pro­zent las­sen sich wei­ter­hin in den Net­zen des Elek­tri­zi­täts­werk Sim­bach (Bay­ern, +35,1 Pro­zent auf 9,34 ct/​kWh), der Gemein­de­wer­ke Stel­zen­berg (Rhein­land-Pfalz, +32 Pro­zent auf 6,90 ct/​kWh) und der Stadt­wer­ke Nor­der­stedt (Schles­wig-Hol­stein, +30,1 Pro­zent auf 9,22 kWh) beob­ach­ten. Von einer Erhö­hung von mehr als 10 Pro­zent sind 382 Postor­te betroffen.

Preis­ni­veau der vor­läu­fi­gen Netz­ent­gel­te Strom 2019 in ct/​kWh
Abnah­me­fall: Fami­li­en-Haus­halt, 3.200 kWh/​Jahr, SLP, Nie­der­span­nung

Die höchs­ten Netz­kos­ten fin­den sich 2019 im Netz­ge­biet der Gemein­de­wer­ke Stamm­bach (Bay­ern, 12,31 ct/​kWh, +18,4 Pro­zent). 11 ct/​kWh stel­len die Ver­sor­gungs­be­trie­be Bor­des­holm (Schles­wig-Hol­stein, +18,7 Pro­zent) in Rech­nung, 10,76 ct/​kWh die Schles­wig-Hol­stein Netz (+2,9 Pro­zent) in 1.161 betrof­fe­nen Postor­ten. In 3.698 Postor­ten lie­gen die Ent­gel­te über dem Bun­des­durch­schnitt. Beson­ders güns­tig ist die Strom­ver­tei­lung mit 5,31 ct/​kWh dage­gen im Netz der EVI Ener­gie­ver­sor­gung Hil­des­heim (Nie­der­sach­sen, +2,3 Pro­zent), in Ger­me­ring (Ener­gie­net­ze Bay­ern, 5,42 ct/​kWh, ‑5,7 Pro­zent), Neu-Isen­burg (Hes­sen, Stadt­wer­ke Neu-Isen­burg, 5,51 ct/​kWh, +4,4 Pro­zent) und in Lipp­stadt (NRW, Stadt­wer­ke Lipp­stadt, 5,56 ct/​kWh, ‑9 Pro­zent). In 293 Postor­ten wer­den 6 ct oder weni­ger je durch­ge­lei­te­ter Kilo­watt­stun­de berechnet.

Es wird sich noch zei­gen müs­sen, ob die neu­en Ent­gelt­struk­tu­ren Ver­trie­ben Spiel­räu­me für Preis­sen­kun­gen eröff­nen. Ange­sichts stei­gen­der Bör­sen­prei­se unter ande­rem durch die Ver­teue­rung der CO2-Emis­si­ons­zer­ti­fi­ka­te erscheint dies höchs­tens bei einer lang­fris­tig abge­si­cher­ten Beschaf­fungs­stra­te­gie denk­bar. So redu­zie­ren die stei­gen­den Bör­sen­prei­se zwar einer­seits die EEG-Umla­ge, ver­teu­ern aber auf der ande­ren Sei­te das kurz­fris­ti­ge Port­fo­lio­ma­nage­ment. Zudem schlägt sich die Reform der Off­shore-Umla­ge auf den Preis nie­der. Da ab 2019 nicht mehr nur die Haf­tung für ver­zö­ger­te Anschlüs­se, son­dern die gesam­ten Aus­bau­kos­ten für die Erschlie­ßung von Nord- und Ost­see-Wind­parks über die Umla­ge finan­ziert und nicht mehr auf die Netz­ent­gel­te gewälzt wer­den, erhöht sich die Off­shore-Netz­um­la­ge für nicht-pri­vi­le­gier­te Letzt­ver­bräu­che auf 0,416 ct/​kWh und damit auf mehr als das Zehn­fa­che. Die bis­he­ri­ge Kate­go­ri­sie­rung nach Letzt­ver­brau­cher­grup­pen ent­fällt zukünftig.

Da alle bis­her ver­öf­fent­lich­ten Ent­gel­te den Sta­tus vor­läu­fig“ erhal­ten haben, kön­nen sich zum Jah­res­wech­sel noch Ände­run­gen erge­ben. Dies wird in einem fol­gen­den News­let­ter aufgegriffen.

Metho­dik: Alle Prei­se ver­ste­hen sich net­to. Der durch­schnitt­li­che spe­zi­fi­sche Arbeits­preis der Netz­ent­gel­te wur­de nach Netz­grö­ße (Anzahl der ange­schlos­se­nen Postor­te) gewich­tet. In den Berech­nun­gen wur­den nur Netz­be­trei­ber berück­sich­tigt, die bereits ein vor­läu­fi­ges Ent­gelt für 2019 bekannt gege­ben haben. Der spe­zi­fi­sche Kilo­watt­stun­den­preis setzt sich zusam­men aus den Netz­kos­ten (Arbeits­preis + auf die Jah­res­ar­beit umge­leg­ter Grund­preis) und den Kos­ten für das Mess­sys­tem (Ein­ta­rif Drehstromzähler).

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