Während schon der Markt für Haushalts- und Gewerbestrom für Kunden unübersichtlich erscheint, stehen Fahrer von E‑Fahrzeugen unterwegs vor einem kaum durchschaubaren Sammelsurium von Ladekarten und Apps mit unterschiedlichsten Preis- und Tarifkonditionen. Müssen sie dann noch ohne abgeschlossenen, aktiven Vertrag spontan an einer Ladesäule „ad hoc“ laden, fehlen häufig Preisinformationen oder Vergleichsmöglichkeiten. Selbst Stadtwerke wissen oft nicht, zu welchen Preisen Wettbewerber das Ad-hoc-Laden in ihrem eigenen Stammgebiet anbieten. So sind beispielsweise im Stadtgebiet von Kiel neben den ansässigen Stadtwerken 6 weitere Anbieter Preisführer in einzelnen Postleitzahlen bei den Schnellladetarifen.
Ein Blick in die ene't Datenbank Marktdaten Ladesäulentarife fördert dazu unterschiedliche Erkenntnisse zutage. Eine Auswertung zu öffentlich zugänglichen Ladesäulen mit Möglichkeiten zur Wechselstromladung (AC, üblicherweise 11 kW Ladeleistung) oder Gleichstromladung (DC, oft Schnelllader mit mehr als 100 kW) zeigt, dass Ad-hoc-Preise nicht flächendeckend bekannt sind. Nur in 4.390 Postleitzahl-Ort-Kombinationen wurden entsprechende Preise für AC-Ladepunkte veröffentlicht, das entspricht nur rund 31 Prozent des Bundesgebiets. Bei DC-Schnellladern finden sich sogar nur in 3.010 Postorten Daten zu frei zugänglichen Ladevorgängen (21 %), obwohl Betreiber gemäß § 4 Ladesäulenverordnung (LSV) verpflichtet sind, das „punktuelle Aufladen“ ohne Vertragsbindung anzubieten. In der Praxis sind aber nicht in allen Postorten öffentliche Ladesäulen verfügbar, beispielsweise in dicht bebauten Innenstadtbereichen oder in dünn besiedelten, ländlichen Gebieten. Nur in knapp 7.000 PLZ-Ort-Kombinationen sind öffentliche Ladesäulen vorhanden, das entspricht nicht einmal der Hälfte Deutschlands. Zum anderen sind Ladepunkte, die vor bestimmten in der Verordnung festgelegten Stichtagen in Betrieb genommen wurden, von der Pflicht ausgenommen, für weitere gelten noch Übergangsfristen bis zum 1. Januar 2027.
Es sind also noch einige Anstrengungen nötig, um die buchstäblichen weißen Flecken auf der Karte zu füllen. Doch darin liegt gleichzeitig ein großes Potenzial für Ladesäulenbetreiber, sich neue regionale Märkte zu erschließen. Grundvoraussetzung ist dabei die genaue Kenntnis der Wettbewerbssituation vor Ort. Denn auch in bereits versorgten Gebieten können die Ad-hoc-Ladepreise etablierter Anbieter unterboten werden, um potenzielle Kunden anzusprechen. Die erforderliche Preistransparenz schaffen hier die Marktdaten Ladesäulentarife.
Eine Auswertung zeigt dabei eine vergleichsweise gute Abdeckung mit Ad-Hoc-Lademöglichkeiten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Teilen Bayerns. Im Wechselstrombereich ist dabei eine Preisführerschaft von Lebensmitteldiscountern zu beobachten. Wo vorhanden, unterbieten die Ladesäulen der Filialen in den Tarifen „Aldi E‑Auto laden“ und „Lidl ad-hoc“ bei einem Kilowattstundenpreis von 24,37 Cent regelmäßig die Wettbewerber. In insgesamt 1.134 Postorten bieten sie den niedrigsten Preis. Aber auch in weiteren Gemeinden ist günstiges Laden möglich. Im bayerischen Ergolding (Überlandzentrale Wörth/I.-Altheim Netz, mit gleichnamigem Tarif, 30,25 ct/kWh) und insgesamt 6 Postorten in Heidelberg (Baden-Württemberg, „Stadtwerke Heidelberg Ad-Hoc“-Tarif, 30,49 ct/kWh) lässt sich das Auto bei langsamer Ladeleistung günstig aufladen. Gut für den Endkunden, herausfordernd für den Wettbewerb. Im Durchschnitt fallen für den günstigsten Ad-hoc-Tarif (AC) in einem Postort Kosten von 48,39 ct/kWh an und damit tatsächlich weniger als in vielen Roaming-Tarifen.
Preisunterschiede zwischen günstigstem und teuerstem Ad-hoc-Ladetarif (AC) je Postort in ct/kWh (netto)
Dennoch muss das AC-Laden nicht zwangsläufig preisgünstig sein. In Greven (NRW) belaufen sich die Kosten auf 75,63 Cent je Kilowattstunde, wenn die Wahl auf einen Ladepunkt der dortigen Stadtwerke und ihren Tarif „SW Greven Ad hoc“ fällt. In 197 Postorten bietet dagegen die EWE Go in ihrem Tarif „EWE Go Ad-hoc“ das Laden für einen Arbeitspreis in Höhe von 70,59 ct/kWh an. Hier lohnt sich für Kunden der Vergleich und für Wettbewerber bieten sich Marktchancen. Wer in einem Postort an der teuersten Ladesäule „tankt“, zahlt im Schnitt 54,89 ct/kWh und damit rund 6 ct/kWh mehr im jeweils günstigsten Ad-Hoc-Tarif vor Ort.
In 2.933 Postorten gibt es bei den AC-Tarifen keinen Preisunterschied zwischen dem günstigsten und dem teuersten Anbieter. Dies kann daran liegen, dass dort nur eine Ladesäule vorhanden ist oder auch mehrere Ladesäulen des gleichen Anbieters. Im bayerischen Wiesenbronn ist der Unterschied so gering (0,3 ct/kWh), dass er kaum ins Gewicht fällt. Bei 63 weiteren Postorten ist die Differenz zwischen dem teuersten und dem günstigsten Ladetarif innerhalb des Postortes immerhin noch kleiner als 1 Cent. In einer Postleitzahl von Ingolstadt, ebenfalls in Bayern, beträgt die Differenz zwischen den Tarifen 1,42 ct/kWh. Im sächsischen Meerane empfiehlt es sich dagegen besonders, die Ad-hoc-Tarife vor Ort zu vergleichen. Dort beträgt die Spanne 46,22 ct/kWh. Das Gleiche gilt für das niedersächsische Buchholz und Hemmoor sowie 34 weitere Postorte im selben Bundesland.
Tarife für das schnelle Laden mit Gleichstrom sind in der Regel teurer, das gilt auch beim Ad-hoc-Laden. Der höchste DC-Tarif lässt sich wie auch schon bei der Wechselstromladung in Villingen-Schwenningen (Baden-Württemberg) finden. Hier berechnen die Stadtwerke 78,99 ct/kWh für ihren hauseigenen Ad-hoc-Tarif. Ähnlich teuer ist es, in Borken (NRW) aufzuladen. Die ansässigen Stadtwerke stellen ihren Kunden für den „Borken Ad-hoc“-Tarif 74,79 ct/kWh in Rechnung. Auch in 30 Postorten in Bayern müssen E‑Auto-Fahrer etwas tiefer in die Tasche greifen und zahlen für den Tarif „Lechwerke Ad-hoc“ 73,95 ct/kWh. Durchschnittlich werden beim teuersten Anbieter in einer Postleitzahl-Ort-Kombination 76,01 ct/kWh für den Ladevorgang fällig.
Preisunterschiede zwischen günstigstem und teuerstem Ad-hoc-Ladetarif (DC) je Postort in ct/kWh (netto)
Wieviel günstiger ad hoc auch an DC-Säulen geladen werden kann, ist in Heidelberg zu sehen: Bei den örtlichen Stadtwerken kostet die Kilowattstunde im Tarif „Stadtwerke Heidelberg Ad-hoc“ pro Kilowattstunde 30,49 ct/kWh, dicht gefolgt vom Tarif des Anbieters Wirelane, der im bayerischen Unterföhring 31,93 ct/kWh berechnet. Knapp 5 Cent teurer ist es, das E‑Auto an den Ladepunkten der Lidl Dienstleistung zu laden. Dieses Angebot gilt in insgesamt 429 Postorten in unterschiedlichen Bundesländern („Lidl Ad-hoc“: 36,97 ct/kWh). Im Schnitt kostet die günstigste Kilowattstunde je Postort 66,01 ct/kWh und somit rund 10 Cent weniger als das teuerste Angebot.
Im direkten Vergleich können sich die günstigsten Tarife durchaus gegenüber populären Roaming-Tarifen behaupten. So wird im EnBW „mobility+ Ladetarif L“ ein Kilowattstundenpreis von mindestens 32,77 ct/kWh berechnet. Dazu kommt zusätzlich noch eine monatliche Grundgebühr in Höhe von 15,12 Euro, während für punktuelles Laden mangels Vertragsbindung grundsätzlich keine Grundgebühr erhoben werden kann. Im EnBW „Ladetarif S“ ohne Grundgebühr steigt der Arbeitspreis sogar auf 49,58 ct/kWh – ein Wert, der in 970 Postorten vom lokalen Anbieter unterboten wird.
Innerhalb eines Postortes herrschen teilweise große Unterschiede zwischen den Schnellladetarifen. In 64 von 3.061 Postorten gibt es preisliche Unterschiede in Höhe von weniger als 1 Cent an den Ladesäulen, in 1.708 Postorten sogar gar keinen Unterschied, davon befinden sich allein 549 Ladepunkte in Nordrhein-Westfalen und weitere 529 in Bayern. Doch die Differenz zwischen teuerstem und günstigstem Tarif innerhalb eines Postortes kann auch deutlicher ausfallen.
Dies ist beispielsweise in Villingen-Schwenningen der Fall; die Spanne zwischen teuerstem (78,99 ct/kWh) und günstigstem Tarif beträgt dort 42,02 ct/kWh. In Unterföhring ist nicht nur wie bereits erwähnt einer der günstigsten Tarife deutschlandweit zu finden, sondern mit 73,11 ct/kWh auch einer der teuersten (Differenz in Höhe von 41,18 ct). Auch im bayerischen Türkheim ist es ratsam, genau hinzuschauen, an welcher Säule am besten ad hoc geladen wird; hier beträgt die Preisspanne 36,97 ct/kWh.
Wo sich sparen lässt: Preisniveau der günstigsten Ad-Hoc-Ladetarife je Postort in ct/kWh (netto)
DC-Tarife, sofern vorhanden; ersatzweise AC
Interessant ist zudem der Blick auf die Bevölkerungsdichte, denn es zeigt sich, dass Tarife in großstädtischen Gebieten im Schnitt deutlich günstiger sind als in ländlichen. So werden in urbanen Gebieten mit 500.000 Einwohnern oder mehr durchschnittlich 61,29 ct/kWh für den günstigsten und 71,08 ct/kWh für den teuersten DC-Tarif fällig. In Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern dagegen werden 71,22 ct/kWh (günstigster) bzw. 75,99 ct/kWh (teuerster) berechnet. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Wechselstromtarifen. Besonders deutlich ist der Unterschied bei den günstigsten Durchschnittspreisen (43,73 ct/kWh urban gegenüber 53,44 ct/kWh rural), aber auch bei den teuersten Tarifen (53,02 zu 55,52 ct/kWh). Ein Grund dafür dürfte eine ausgeprägtere Wettbewerbssituation in urbanen Gebieten sein.
Was folgt aus dieser Betrachtung? Ganz eindeutig ist das Marktpotenzial von Ad-hoc-Tarifen noch lange nicht ausgeschöpft. Zudem zeigt sich, dass Betreiber gute Chancen haben, sich mit einem lokalen Angebot ohne Vertragsbindung selbst gegen populäre Roaming-Vertriebe durchzusetzen, die ihren Tarif europaweit in Hunderttausenden von Ladepunkten anbieten. Dazu benötigt es allerdings zwei Stellschrauben: Zum einen wird eine transparente Datengrundlage benötigt, um eigene Preise sowohl wirtschaftlich als auch attraktiv im Wettbewerbsumfeld platzieren zu können. Auf den anderen Aspekt haben lokale Anbieter leider nur bedingt Einfluss: Kunden müssen die Preise kennen, um Angebote vergleichen zu können – insbesondere, wenn sie ortsunkundig sind. Idealerweise würden unabhängige Kartenanbieter oder Navigationsdienstleister Ladepunkte und Ad-hoc-Preise in ihre Produkte integrieren, da Ladestromanbieter oft genug nur auf ihre eigenen Angebote hinweisen.
Methodik: Alle Preisangaben verstehen sich netto. Untersucht wurden die Ad-hoc-Preise für punktuelles Laden ohne Vertragsbindung aller öffentlich zugänglichen Ladepunkte, die im Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur gelistet sind. Werte für den jeweils günstigsten oder teuersten Tarif beziehen sich auf die Postleitzahl-Ort-Kombination (synonym „Postorte“). Den Karten wurden die Umrisse der Grundversorgungsgebiete Strom vorgelagert.